Nobody’s perfekt – so ist das auch bei der Nachhaltigkeit. Trotzdem herrscht auch hier ein vermeintlicher und vorgestäuschter Perfektionismus. Damit einher gehen scharfe Blicke, Verurteilungen, und ein Gegeneinander. Geht es nicht auch besser? Ein kritischer Blick.
Seit geraumer Zeit versuche ich nachhaltiger und nachhaltiger, bewusster und bewusster zu leben. Erst war es die Ernährung, die ich schon im Jugendalter auf vegetarisch umstellte und die mittlerweile großteils vegan ist. Nach und nach kamen weitere Etappen dazu: der Verzicht auf Plastiktüten, die Nutzung von Cups to go, der gelegentliche Einkauf im verpackungsfreien Supermarkt, und so weiter und so fort.
Wer kennt es nicht? Umso mehr man sich informiert und umso mehr Wissen man hat, desto klarer wird einem, was man nicht alles tun und umstellen muss, um unserem lieben Planeten nicht noch mehr zu schaden, als eh schon. Manch einer gerät dabei geradezu in einen Wahn und verurteilt alles Handeln, das Schaden anrichtet. Öko-Perfektionismus nenne ich das jetzt einfach mal.
Ich nenn’s Öko-Perfektionismus
Du hast gerade doch mal zu den in Plastik verpackten Tomaten gegriffen, statt zu den losen oder bist ausnahmsweise doch mit dem Auto zur Arbeit gefahren, statt mit den Öffis? Autsch! Das wird in der Öko-Szene aber nicht gerne gesehen!
Klar wäre es total super und schön, wenn jeder 100% ökologisch einwandfrei leben würde. Das ist nun aber leider nicht der Fall und auch nicht immer möglich. Aus gesundheitlichen Gründen, aus finanziellen, aufgrund mangelnder Bildung, gewisser Leidenschaften oder weshalb auch immer. Das wird bei all dem Perfektionismus oft vergessen, scheint mir.
Ich sehe was… was du nicht (richtig) machst!
Mit dem Perfektionismus einher geht auch ein strenger und allzu kritischer Blick. Direkt fällt uns auf, was jemand nicht ganz nach unseren Vorstellungen macht und direkt haben wir etwas an dem wir herumnörgeln können. Was wir dabei jedoch oft nicht sehen, sind die vielen Bemühungen, die die betreffenden Personen vielleicht aber auch noch machen.
Wir strafen lieber für „Fehler“ ab, als jemanden für seine Bemühungen und Anstrengungen zu loben oder diese wertzuschätzen. Sollte es nicht anders herum sein – frage ich mich. Ist es nicht: one step after another? Ist es nicht gut, wenn sich Leute bemühen – gilt es nicht gerade da, gut zuzusprechen? Wo kommen wir denn hin, wenn wir statt Wertschätzung für diese Bemühungen Kritik und finstere Blicke verbreiten, wenn nicht zu einem profilierenden Handgemenge. Zu einem Gegeneinander, statt einem Miteinander. Doch ein Gegeneinander – das wird unseren Planeten eben auch nicht aus dem Verderben retten.
Das paradoxe dabei ist, dass wohl kaum jemand wirklich ökologisch einwandfrei lebt (außer vielleicht ein einsamer Selbstversorger irgendwo im Wald) – man sein Umfeld jedoch trotzdem nur zu gerne kritisch beäugt.
Wie war das nochmal mit…
Gerne lassen wir außer Acht, dass beispielsweise für unser Handy (oder für andere Elektrogeräte) Menschen in Minen leiden mussten und Gewässer verunreinigt wurden, dass die Avocado auf der Stulle nicht gerade einen kleinen CO2 Abdruck hat oder dass das neu gekaufte Sockenpack nicht unter den besten Bedingungen produziert wurde. Die Liste könnte endlos weitergehen: woher kommen deine Möbel? Wieviel Wasser ging eigentlich für dein Notizblock drauf? Sind die Erdbeeren gerade wirklich regional und saisonal? Und woher kommt eigentlich deine hippe neue Pflanze – wurde die echt hier gezüchtet oder nicht doch etwa aus Übersee eingeflogen?
Was einem bewusst ist und was nicht, dass ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Während du vielleicht zu 100% auf nachhaltige oder Second Hand Klamotten setzt bemüht sich die Person neben dir vielleicht eher darum den Haushalt plastikfrei zu gestalten.
Sei nicht so streng – zu deinen Mitmenschen und zu dir
Jede Bemühung ist besser als keine und so sollten wir doch nun wirklich anfangen uns gegenseitig zu bestärken, als uns nieder zu machen für Dinge, die noch nicht ganz so laufen. Und statt jemanden für etwas zu verurteilen, sollten wir doch lieber das Gespräch suchen, Wissen verbreiten und doch erst einmal versuchen uns gegenseitig unser Bewusstsein zu erweitern. Denn auf diese positive Art und Weise, können wir gemeinsam besser und besser werden. Und besser für unseren Geist und unser Wohlbefinden ist dieser Weg wohl auch. Wichtig dabei ist doch vor allem offen und im Austausch zu bleiben, neue Optionen in Betracht zu ziehen und gegebenenfalls in unseren Alltag zu integrieren.
Und was für unsere Mitmenschen gilt, gilt übrigens auch für uns selbst. Niemandem ist geholfen, wenn du selbst mit erhobenem Zeigefinger auf dich zeigst, nur weil du dir mal einen ökologischen Fauxpas geleistet hast. Nobody’s perfect – auch wenn man ein Instagram Account anderes vermuten lässt. Es ist völlig okay, mal etwas nicht ganz perfekt zu machen und damit kann man völlig offen umgehen.
Zu tun als wäre man perfekt – das bringt keinem was
Apropos perfekte Instagram Accounts: auch so zu tun, als als wäre man zu 100 Prozent nachhaltig perfekt und die eigenen Öko-Fehler zu verheimlichen oder zu kaschieren – das bringt echt auch keinem was – außer vielleicht, dass sich die Anderen dann schlechter fühlen und ein falsches Bild von der Realität bekommen.
Ich? Weit entfernt von perfekt!
Mir selbst ist Nachhaltigkeit super wichtig – und trotzdem bin ich weit entfernt davon alles perfekt zu machen. Obwohl ich die vegane Lebensweise für die richtige halte, nasche ich doch gelegentlich mal von einem Stück Käse oder ordere ein vegetarisches Gericht im Restaurant. Obwohl ich weiß, dass fliegen ein Klimakiller ist, betrete ich noch Flugzeuge in die Ferne, da Reisen meine absolute Leidenschaft ist (und europäische Ziele, die ich mit der Bahn erreiche mir einfach nicht reichen) und obwohl ich weiß, dass Verpackungsmüll echt lästig für Mutter Erde ist, kaufe ich mir meine Hafermilch trotzdem regelmäßig abgepackt, da ich sie daheim einfach nicht so hinbekomme, wie ich mir das vorstelle und mir auch die Muse fehlt da andauernd rumzutüfteln.
Diese vermeintlichen Fehlverhalten sind mir absolut bewusst. Trotzdem bringt es mir nichts, wenn ich mich dafür nun mit einem schlechtes Gewissen abstrafe. Und natürlich: genauso wenig bringt es mir diese Dinge nun irgendwie schön zu reden. Vielmehr gilt es für mich diese Öko-Patzer zu akzeptieren, offen mit ihnen umzugehen und mich nicht davor zu verschließen, auch in diesem Punkten Step by Step voranzugehen und bessere Wege zu finden. Aber erst einmal gilt: es ist okay, nicht alles perfekt zu machen.
Kurz gesagt…
Kurz gesagt: lasst uns doch mal aufhören mit diesem vermeidlichen Öko-Perfektionismus! Lasst uns unser Bestes geben und nach uns nach da voran schreiten, wo wir eben können – ganz ohne uns selbst oder unsere Mitmenschen dabei harsch und verurteilend von der Seite zu beäugen und uns das Leben schwer zu machen. Und lasst uns uns stattdessen gegenseitig helfen, bestärken und stützen. Denn so kommen wir vielleicht wirklich weiter. Gemeinsam, mit einem guten Gefühl und mit Akzeptanz.