Schnell weinen? Kann ich!

Ein Text über's schnell weinen

Schnell weinen? Kann ich!

Hi. Ich bin Chrissi und schnell weinen? Freunde, dass kann ich!

Ja, genau. Ich heule. Und das, je nach Lebenslage, gar nicht so wenig. Oftmals wäre es angebrachter zu sagen, ich sei im Wasser gebaut, als nur nah am Wasser. Ich heule aus Kummer, aus Sorge und Traurigkeit aber auch aus Verzweiflung, Wut und Freude. Hurra hurra!

Früher habe ich mich geschämt

Als ich klein war hatte ich ein großes Problem damit immer die Heulsuse (Anmerkung: ich verwende diesen Begriff hier nicht einzig für das weibliche Geschlecht, sondern für jeden Menschen gleichmaßen) zu sein und bei jeder sich bietenden Gelegenheit kleine bis mittelgroße Wasserfälle aus meinen Augen kullern zu lassen. Dass andere Kinder das nicht so cool fanden, tat das Übrige. Oft habe ich mich geschämt, versucht mein Gesicht zu verstecken oder das Weinen zu unterdrücken.

Deutlich seltener als früher, doch auch heute noch bekomme ich Sätze wie Jetzt heul doch nicht gleich oder Was gibt es da zu heulen? vor den Latz geknallt, wenn es mal wieder soweit ist. Gewisse Menschen aus meinem näheren Umfeld warfen mir oben drauf auch schon vor, ich würde absichtlich so schnell weinen, um sie klein zu machen und um meinen Willen durchzusetzen. Natürlich. Ich klicke nämlich immer, wenn mir was nicht passt, auf den imaginären Bitte jetzt heulen-Schalter. Schlicht und ergreifend, um mir einen Eigennutz zu verschaffen.

Schnell weinen? Ok, läuft!

Äähm, nein sorry, aber so läuft das nicht. Ich heule nicht, um Druck aufzubauen oder mir mit meinen verwässerten Äuglein Mitleid zu ereifern. Und nein, ich tue das auch nicht unterbewusst. Ich heule, denn ich bin verdammt nochmal ziemlich sensibel und emotional. Ich heule, denn ich muss mich von Gefühlen und Blockaden lösen, die in mir festsitzen. Nicht um Druck aufzubauen, sondern um eben diesen auf meine Art abzubauen.

Das Weinen hilft mir, mit unterschiedlichsten Situationen und Begebenheiten umzugehen, mich zu regulieren und mich von überschüssigen Emotionen zu befreien. Es hilft mir mich zu reinigen. Und ja, es tut mir sogar richtig gut. Und wisst ihr was? Das ist verdammt nochmal gut so und vollkommen in Ordnung.

Und mal so am Rande…

…wirklich praktisch war das Ganze mit den Eigennutz-Heulvorwürfen auch nicht. Denn wenn man weinen muss, einem aber gesagt wird, dass das ziemlich scheiße ist, dann muss man halt nur noch mehr heulen. You do the math – kein besonders gesunder Kreislauf, sag ich euch.

Mit zunehmendem Alter habe ich aber trotz allem für mich gelernt, dass es völlig in Ordnung ist, wenn ich weine. Selbst, wenn andere nicht begreifen, warum ich aus ihrer Sicht so stark reagiere. Für mich ist es oft weniger stark – es ist normal. So bin ich nun mal. Es gehört zu mir und mittlerweile geht es mir auch gut damit. Ich muss mich nicht mehr schämen oder verstecken. Ich heule, darum bin ich! Oder so ähnlich.

Weinen ist keine Schwäche

Auch wenn es manch einer oder eine meinen mag, für mich ist ganz klar: Weinen ist nichts Schlechtes. Es ist ebenso wenig ein Zeichen der Schwäche. Und das eben auch, wenn man sehr oft heult. Ein Zeichen der Schwäche war es, als ich versuchte das Heulen zu unterdrücken. Die vielen Male, die ich nicht zu mir und meinen Emotionen und Gefühlen stand.

Für mich ist der gelegentliche Heulanfall mittlerweile fast was Schönes. Klingt komisch, ist aber so. Danach fühle ich mich leichter. Ruhiger. Ich habe das Gefühl wieder geerdeter zu sein und wieder klarere Gedanken zu fassen.

Ehh, letztens habe ich auf der Arbeit geheult

Erst neulich schossen mir im Gespräch mit meiner direkten Vorgesetzten auf der Arbeit die Tränen in die Augen. Und eh, das ist nicht das erste Mal, das ich am Arbeitsplatz heule. Upsiii! Der Grund diesmal: ich hatte irgendwie das Gefühl, nicht zu können, was ich können sollte. Und dann gab es kein Halten mehr. Ich heulte. Bis all die spontan in mir aufgeblühte Verzweiflung wieder rausgeheult war.

Kurz danach konnte ich die unterschiedlichen Aufgaben, die mir um die Ohren flogen, wieder viel klarer sehen. Ich war wieder viel motivierter und wusste: selbst, wenn ich von manchen Dingen noch keinen Schimmer habe – ich kann das und ich kann das gut. Oder vielleicht auch nicht. Aber dann kann ich’s ja noch lernen. Prima! Hach, Freunde, wie schön das ist, oder? Mir kommen gleich die Tränen.

Heult, liebe Leute, lasst es raus!

Was will ich damit sagen? Selten oder häufig, viel oder wenig, männlich, weiblich oder divers, alt oder jung – whoever, wherever, whatever – Heulen ist verdammt nochmal nichts, wofür man sich schämen, verstecken oder gar schlecht fühlen muss. Vielmehr gilt es die Tränen anzunehmen, zuzulassen, durchzuleben und rauszulassen. Denn danach fühlt man sich, zumindest meiner bescheidenen Meinung nach, viel, viel besser.

Und wem sag ich das? All den wunderbaren Heulsusen und Gelegenheits-Tränenvergießern da draußen. Und denen, die sich noch viel zu häufig verstecken, wenn die Augen feucht werden. Genauso aber auch allen, die uns Weini-Bären gerne einmal nett von der Seite belächeln, sich lustig über uns machen oder sich durch das Weinen Anderer gar angegriffen fühlen.

Weinen ist super! In diesem Sinne: befreit euch, liebe Leute. Heult und lasst heulen!

Man reiche mir das Taschentuch – Cheers.

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