Hier ein gemeiner Blick, da rempelt mich wer beim Vorübergehen an und dort lacht wer, während ich vorbei gehe. Was ist da denn los? Die ganze Welt hasst mich!
Ne, ne, ne. Stop mal! Die eben beschriebene Denkweise: ein klarer Fall von Interpretatio, Interpretatio. So nenne ich es ja gerne. Erscheinungsbild dieser durchaus verbreiteten Epidemie: Dinge passieren um uns herum und wir interpretieren sie ganz nach Gusto. Noch dazu gerne ziemlich falsch und nicht in unserem Wohle. Anschließend haben wir schlechte Laune, sind gekränkt oder leiden.
Gar nicht mal so clever, was? Kredenzen wir uns mit dieser Denksweise doch hervoragend unser eigenes Unwohlsein und Leid. Ja, wir Menschen. Wir sind echt die Meister im Interpretieren. Als wäre es ein Wettkampf. Wer interpretiert am meisten in seine Umwelt und das Verhalten der Anderen? Wer wird Interpretatio-Champion?
Mal zerbrechen wir uns die Köpfe darüber, wie etwas gemeint war und ein ander Mal gehen wir schon so stark von unser Deutung aus, dass wir sie gar nicht einmal mehr kritisch hinterfragen.
Ja, ok. Zugegeben, manchmal ist wirklich was. Manchmal sagt vielleicht wer etwas in einem blöden Ton zu uns, mal sieht uns jemand wirklich verärgert an. Da gibt es dann zwei Optionen:
1. die betroffene Person ansprechen und hoffen, dass sie dir sagt, woran es liegt. Wenn sie das tut, könnt ihr es hoffentlich klären. Tut sie das nicht, hast du ihr die Chance gegeben mit dir zu reden und kannst nun auch nicht mehr tun. Du hast dein Job gemacht, halt dich nicht länger damit auf, sondern mach dein eigenes Ding weiter.Oder aber…
2. …wenn du es als nicht nötig erachtes die Person darauf anzusprechen (weil du das von ihr schon kennst, weil du die Person gar nicht kennst oder warum auch immer du sie nicht darauf ansprechen möchtest): nimm’s hin, knüll die Situation imaginär in deinen Händen zusammen und wirf sie hinter dich.
Was du aber auf gar keinen Fall tun solltest: wild interpretieren und es nicht gut sein lassen. Das bringt nämlich keinem was – dir schon gleich gar nicht. Und ein weiteres no go: unerbitterlich an deiner Interpretation festhalten, obwohl dir dein Gegenüber bereits erklärt hat, dass es nicht gemeint war, wie du es gedeutet hast. Denn ein solches Festklammern bringt auch niemanden weiter, sondern macht das Ganze in der Regel nur schlimmer und wirrer. Da ist dann doch die gute, alte Akzeptanz das A und O, die es dir (und auch deinem Gegenüber) ermöglicht das Missverständnis zurück zu lassen.
Also: hör mal auf mit dem ganzen Interpretieren. Dadurch wird dein Leben viel leichter. Versprochen. Na, weißt du was – es wird nicht nur leichter, sondern mehr noch: du kannst überhaupt erst richtig leben! Ja, echt. Denn du musst dich nicht deine ganze Zeit durch das Gestrüpp in deinem Kopf winden, sondern kannst einfach mal das hier und jetzt genießen.
Ich weiß, dem einen fällt es leicher – für andere ist es eine riesen Challenge. Und ob man will oder nicht, selbst wer diesbezüglich sehr bewusst durch’s Leben geht, tappt mal in die Fehlinterpretations-Falle.
Es lohnt sich aber am Ball zu bleiben. Zu üben, nicht immer alles direkt auf sich zu beziehen und nicht immer alles direkt so negativ zu interpretieren. Mehr zu reflektieren und mehr zu entspannen. Meist ist alles nämlich wirklich nur halb so wild (oder auch gar nicht wild) – und lediglich unsere Gedanken machen es dazu.
Also, also: mehr leben, weniger interpretieren, ihr Zuckerschnuten!